Karpaltunnelsyndrom

Was ist ein Karpaltunnelsyndrom?
Bei dem Karpaltunnelsyndrom (KTS) handelt es sich um eine Einklemmung des Mittelhandnerven (N. medianus) im Handgelenkstunnel (Karpaltunnel). Dieser Kanal für Nerv und Sehnen wird U-förmig von den Handwurzelknochen gebildet mit einem bindegewebigen Band (Retinaculum flexorum) als Dach.

Wodurch entsteht des Karpaltunnelsyndrom?
Für das Missverhältnis zwischen dem Tunnel und seinem Inhalt (Nerv und Sehnen) werden viele Ursachen angeschuldigt. Es spricht vieles dafür, dass der Tunnel bei manchen Menschen (wahrscheinlich bis zu 10 % der erwachsenen Bevölkerung) von Geburt an zu eng angelegt wurde und dass diese Enge familiär gehäuft vorkommt. Sie werden möglicherweise in Ihrer Familie weitere Mitglieder (meist die Mutter) kennen, die ähnliche Beschwerden wie Sie haben.

Welches sind die typischen Symptome?
Wenn die „Hände einschlafen“ ist dies ein ganz typisches Zeichen für das Karpaltunnelsyndrom und erlaubt fast auf Anhieb, die richtige Diagnose zu stellen. Dieses Einschlafen, das durch Schütteln, Reiben und Bewegen der Hände (auch "Heraushängen aus dem Bett") meist, zumindest in den Anfangsstadien, rasch verschwindet, ist ebenfalls ein ganz typisches Zeichen. Das Einschlafen tritt besonders gerne nachts bzw. gegen Morgen auf und kann den Nachtschlaf erheblich stören ("die Hand schläft und der Patient nicht"). Tagsüber kann es bei bestimmten Tätigkeiten wie Radfahren, Autofahren, Zeitunglesen, Halten des Telefonhörers, Handarbeiten auftreten. Bei zunehmender Ausprägung kommt es zu ständigen Kribbelmissempfindungen des Ring- und Mittelfingers, dann auch des Zeigefingers und Daumens. Schließlich können die Finger ständig taub werden und bleiben. Dies kann selten, insbesondere bei älteren Patienten oder in der Schwangerschaft, das erste Symptom sein. Besonders häufig ist das KTS auch bei langjährigen Dialysepatienten. 

Als Begleiterkrankungen kommen häufig schmerzhafte, geschwollene und auch "schnappende" Finger vor. Es handelt sich hierbei um eine Einklemmung der Beugesehnen in Höhe des Ringbandes. Das Schnappen ist durch einen kleinen zusätzlichen Eingriff zusammen mit dem Karpaltunnelsyndrom zu beseitigen.

Wodurch wird die Diagnose gesichert?
Zur letztlichen Sicherung der Diagnose des Karpaltunnelsyndroms ist immer eine Untersuchung der elektrischen Leitfähigkeit des Nerven (NLG) erforderlich. Die Untersuchung wird im allgemeinen von Neurologen und Neurochirurgen durchgeführt und kann ohne Nadelelektroden weitgehend schmerzlos vorgenommen werden. Vor jedem operativen Eingriff ist sie obligat und erlaubt, später den Behandlungserfolg (selten auch einmal den ausbleibenden Erfolg) zu dokumentieren und diagnostische Schlüsse zu ziehen.

Worin besteht die Behandlung?
Diese richtet sich nach den Ausmaß der Beschwerden und in Abhängigkeit von der Dauer der Symptome. Bei anhaltenden, zunehmenden und schmerzhaften bis quälenden Missempfindungen sowie bei permanenter Gefühlsstörung bzw. Taubheit der Finger ist der kleine operative Eingriff zur Behebung des Leidens erforderlich. Zur Überbrückung des Zeitpunkts bis zur Operation kann das Handgelenk nachts auf einer Schiene ruhiggestellt werden. Selten kann auch eine Einspritzung eines Cortison-Präparates in den Handgelenkstunnel angebracht sein. Diese ist wegen des Risikos einer Nervschädigung jedoch einem erfahrenen Arzt vorbehalten. Der Wert einer medikamentösen Behandlung ist eher zweifelhaft. Spontane Besserungen, insbesondere wenn die Belastung der Hand verringert wird, sind möglich. Man kann sich jedoch keineswegs darauf verlassen. In den allermeisten Fällen treten die Symptome wieder auf und schreiten fort. Leider gibt es immer noch viele Patienten, die erst zur Operation gelangen, wenn sich eine schwere Schädigung des Nerven mit ständiger Taubheit und Schwund des Daumenballens eingestellt hat. Grund für dieses lange Zuwarten ist häufig eine übermäßige Angst der nur unzureichend informierten Patienten. Aber auch in dem sehr fortgeschrittenen Stadium kann man den Eingriff noch durchführen. Ein guter Behandlungserfolg ist dann möglicherweise wegen eingeschränkter Regenerationsfähigkeit des Nerven nicht mehr garantiert. Auch bei sehr alten Patienten kann der Eingriff noch ambulant durchgeführt werden.

Ist der operative Eingriff von dem Ausmaß der Nervenleitgeschwindigkeit bzw. des elektroneurographischen Befundes abhängig zu machen?
Die Frage ist mit Nein zu beantworten. Die Veränderungen der Nervenleitgeschwindigkeit gehen zwar häufig parallel mit dem Ausmaß der klinischen Beschwerden, dies ist jedoch nicht immer Fall. Es gibt viele Patienten, die im Frühstadium der Erkrankung ganz erhebliche Beschwerden haben und sehr dankbar sind, wenn diese durch den Eingriff behoben werden, auch wenn die Nervenleitgeschwindigkeit noch relativ wenig verändert ist.

Wie wird der Eingriff durchgeführt und was sind die Risiken?
Die Operation, die heute im allgemeinen ambulant und in örtlicher Betäubung durchgeführt wird, hat das Ziel, die Einklemmung des Nerven auf Dauer zu beseitigen. Hierzu wird das Band (Retinaculum flexorum) vollständig unter Schonung des Nerven und der Sehnen durchtrennt. Dies kann auf zweierlei Arten geschehen nämlich durch die herkömmliche offene Methode oder durch die endoskopische Methode.

Bei ersterer wird ein 2 – 3 cm langer Schnitt vom Handgelenk in die Hohlhand vorgenommen, unter Sicht das Band komplett durchtrennt und der Nerv inspiziert. Die technisch aufwändigere endoskopische Methode wird über ein oder zwei kleine Schnitte am Handgelenk und in der Hohlhand unter Zuhilfenahme einer speziellen Sonde und unter Sicht auf dem Bildschirm durchgeführt.

Der endoskopische Operateur braucht eine besondere Erfahrung, da anderenfalls das Risiko einer Nerv- und Gefäßschädigung höher ist als bei der offenen Methode. Die Komplikationen liegen bei beiden Eingriffen, wenn sie von einem routinierten Operateur durchgeführt werden, unter 1 %. Bei der endoskopischen Methode ist wegen der etwas kleineren Narben eine frühere Belastung der Hand möglich, jedoch nicht garantiert.

Bei guter Mitarbeit der Patienten – dazu gehört auch, dass nach dem Eingriff die Finger bis zum völligen Faustschluß durchbewegt werden – ist praktisch keine Gefahr gegeben, dass die Hand "steif" wird. Von den nachbehandelnden Ärzten ist darauf zu achten, dass keine schnürenden Verbände angelegt werden, auch keine Gipsschienen. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit beträgt in der Regel 3 Wochen, für manche schwere körperlichen Tätigkeiten oder bei verstärkter Empfindlichkeit der Narbe auch länger. Besondere Behandlungsmaßnahmen sind nach dem Eingriff in der Regel nicht erforderlich. Sollte es zu einer stärkeren Blutung oder einer entzündlichen Rötung im Wundbereich kommen, ist umgehende Vorstellung beim Operateur angezeigt, ansonsten können Verbandwechsel und Fädenziehen von dem Hausarzt oder einem anderen Facharzt vorgenommen werden.

Viele Patienten sind durch den Begriff „Sudeck-Syndrom“ verunsichert. Hierbei handelt es sich um eine außerordentlich seltene Komplikation, die sich durch frühe Übungsbehandlung, d.h. Bewegungsübungen und Vermeidung einengender Verbände, weitestgehend vermeiden lässt. Das Problem ist so selten, dass nach Auffassung vieler Chirurgen keine besondere Aufklärung sinnvoll ist, auch wenn dies von juristischer Seite verlangt wird.

Kann das Karpaltunnelsyndrom nach erfolgreicher Operation erneut auftreten?
Nach vollständiger Durchtrennung des Bandes und Entlastung des Mittelhandnerven ist ein erneutes Auftreten gleicher Beschwerden wie vor dem Eingriff außerordentlich selten. Oft sind es andere Probleme wie z. B. schnellende Finger oder zusätzliche Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule und der Nervenwurzeln, die dem Patienten Probleme bereiten. Die Behandlung ist in solchen Fällen naturgemäß eine andere. Ein nochmaliger Eingriff am Karpaltunnel ist nicht erforderlich. Zur Abgrenzung solcher Beschwerden eignen sich elektrophysiologische Untersuchungen und bildgebende Verfahren (Kernspintomographie).

Ist das Karpaltunnelsyndrom eine Berufskrankheit oder als Unfallfolge zu entschädigen?
Im allgemeinen ist die Frage mit Nein zu beantworten. Da es sich um eine in der Regel angeborene Störung handelt ("enger Karpaltunnel"), kommt einem Unfall oder einer beruflich bedingten Überlastung der Hand nur die Bedeutung eines Auslösers zu. Berufliche Tätigkeit und unfallbedingte Verletzungen sind nicht ursächlich für die Entstehung eines Karpaltunnelsyndroms. Man wird in besonders gelagerten Fällen allerdings eine Mitwirkung vermuten können. Da das Karpaltunnelsyndrom durch den operativen Eingriff behoben wird, entsteht nicht die Frage eines unfallbedingten Dauerschadens.

Weitere Informationen erteilen:
Prof.  Dr. med. G. Antoniadis, Neurochirurgische Klinik der Universität Ulm 
am Bezirkskrankenhaus Günzburg
gregor.antoniadis@uni-ulm.de
Dr. med. H. Assmus, ehem. Praxis für periphere Neurochirurgie in Dossenheim
hans_assmus@t-online.de

Videos zur Karpaltunneloperation finden Sie hier:

Offene KTS-Operation (5.3 MB)  (Dr. H. Assmus, Schriesheim)
Monoportale endoskopische KTS OP (9.8 MB)  (Prof. Dr. G. Antoniadis, Günzburg)
Biportale endoskopische KTS (5.0 MB)  (Dr. T. Dombert, Dossenheim)